1795 – 1875
Das Leben zeiget Jedem, was er
sei:
So will mit Recht ein
Dichterwort uns sagen,
Denn was darin wir lieben,
suchen, wagen,
Was selbst wir sind, das wird uns
kund dabei.
Ob lauter wir, ob wahr wir
sind und treu,
Ob warm das Herz für Andre
darf uns schlagen,
Ob Wiederwärtges muthig wir
ertragen,
Tritt vor die Augen offen uns
und frei.
Wir hielten uns in Manchem
wohlbewährt,
Da wurden wir dem ersten Sturm
zum Raube,
Und lagen wie gebrochen in dem
Staube.
Und was bisher erschien uns
hassenswerth,
Dafür wollt’ plötzlich unser
Herz entbrennen;
So lernten wir uns selber erst
erkennen.
1795 – 1875
Wer immer will nur an sich selber
denken,
Sein eignes Ich zum
Mittelpunkt erheben,
Für sich nur wirken, kämpfen,
sinnen, streben,
Dem wirst du schwerlich dein
Herz noch schenken.
Wer aber wird den Sinn nach
Andern lenken,
Aufopfernd ihrem Wohl sich
hinzugeben,
Wer selbstverleugnend wird den
Brüdern leben,
Deß wird in Liebe freundlich
man gedenken.
Denn werth der Liebe, so ist
er zu nennen,
Dem darf das Herz für Andre
warm entbrennen,
Der kann in ihnen selber sich
vergessen.
Und wer ein solches Herz noch
je besessen,
Dem wollten gern die andern
sich zuneigen;
Sich gab er hin, so nahm er
sie zu eigen.
1795 – 1875
Du gleichst einem bunten
Schmetterling,
Der unstät will von Blum zu
Blume fliegen,
Auf ihren duftgen Kelchen sich
zu wiegen,
Und flatternd noch in keinem
Netz sich fing.
So bleib beständig doch bei
einem Ding,
Und halt es fest, dich innig
dran zu schmiegen;
Wie Vieles wollt’ dich
schmeichelnd schon betrügen,
Woran dein Herz nur wie im
Fluge hing!
So hör denn auf zu flattern her
und hin,
Hinüber bald, und wieder bald
herüber,
Und feßle dir den immer
schwanken Sinn.
was liebend sich noch jemals
zu dir fand,
Bleibst du ihm treu, so wird
dirs immer lieber,
Und knüpft sich dir zum
enggeschlungnen Band.
1795 – 1875
So Manches will uns anfangs
nicht gelingen,
Wofür die Herzen warm uns doch
erglühen,
Schon sahen wir es uns
entgegen blühen,
Und faßten es, da wollt’ es
sich entringen.
Doch was zuerst gar so oft uns
will mißlingen,
Ob wir uns drum mit vieler
Sorge mühen,
Wenn nur des Muthes Flammen
uns noch sprühen,
Läßt es zuletzt sich noch zu
Stande bringen.
Nicht wie im Flug will sich
das Beste geben
Zu eigen uns, wir sollen es
gewinnen,
Mit Ernst und Fleiß beharrlich
es erstreben.
Drum statt die Hand ruhlos zum
Schooß zu legen,
Laßt immer uns aufs neue
wieder sinnen,
Arbeiten, kämpfen, bis uns
krönt der Segen.
1795 – 1875
Was immer bist, sei immer auch
ein Mann,
Dem hoch die Kraft ist, frei
und stolz gehoben,
Der etwas wollen, etwas
schaffen kann,
Was läßt als ächt und tüchtig
sich erproben.
Sei tapfer stets, und wo es
immer gilt,
Da halt dem Unrecht kühnen
Muths entgegen
Des Rechtes und der Wahrheit
blanken Schild,
Den trag zum Schutz in deiner
Hand allwegen.
Beflügle deinen Geist mit
Adlersschwung,
Aufwärts dich von dem Staube
zu erheben,
Und was sich hüllt in Nacht
und Dämmerung,
Nie laß es deinen eignen Sinn
umweben.
So sei ein Mann, dich mannhaft
zu bezeigen,
Bis sterbend wird dein Haupt
sich niederneigen.
1795 – 1875
Nicht ziemts dem Mann, in
Klagen hinzuschwinden,
Will Manches auch ihn hart zu
Boden beugen,
Stark soll er immer, muthig
sich bezeigen,
So laß er sich in jeder Noth
erfinden.
Doch wird ein Ach sich seiner
Brust entwinden,
Das stolze Haupt zum Schooß
sich sinnend neigen,
Laßt ihm kein schweres,
sorgenvolles Schweigen,
Das will wie fesselnd ihm die
Seele binden.
Und sind ihm Thränen für sein
Leid gegeben,
Laßt sie ihm stille von den
Augen rinnen,
Zum linden Trost, wenn trübt
sich ihm das Leben.
Bald wird er sich den alten
Muth gewinnen,
Vom Staub empor sich herzhaft
wieder heben;
So geht er neu gestählt des
Wegs von hinnen.
1795 – 1875
Was ists, daß willst du
ängstlich immer sorgen,
Mit schwerem Leid dein zagend
Herz bedrücken?
Heb auf das Haupt, das willst
zum Staub zu bücken,
Heb auf den Blick mit jedem
neuen Morgen.
In sichrer Hut bist du
vorlängst geborgen;
Kein finstrer Geist mit argen
Höllentücken
Soll je den Sinn dir
trügerisch berücken,
Als wärst dem Blick von oben
du verborgen.
Der Lasten hebt von schwer
gebeugten Herzen,
Und wälzt den Stein von ihres
Grabes Thüren,
Er ist dir nah, ein Helfer dir
zur Seiten.
Folg ihm getrost; empor aus
Angst und Schmerzen
Wird er dich wie auf
Adlersflügeln führen,
Zu Schutz und Schirm sie um
dich auszubreiten.
1795 – 1875
Getrost! getrost! er führet
hin ans Ende,
Der Weg, den vorwärts wir zum Ziele
gehen,
Ob rauhe Stürme brausend uns
umwehen,
Ob unser Schicksal leicht, ob
schwer sich wende.
Wenn falten brünstig wir die
müden Hände,
Herab den Schutz von oben zu
erflehen,
Wir können dann uns
wohlgeborgen sehen,
Bis unser Lauf im Frieden sich
vollende.
Denn sorglich wachet über
unsern Schritten,
Die wir voran in manchen Mühen
schreiten,
Er selbst, der immer ist in
unsrer Mitten,
Er selbst, den wir von Alters
her schon kennen,
Der will auf unsern Gängen uns
geleiten,
Wenn heiße Gluthen auf das Haupt
uns brennen.
1795 – 1875
Als du geschmückt noch mit der
Jugend Lenzen
Zuerst mir tratst mit frischem
Muth entgegen,
Da schien es mir, als ob auf
deinen Wegen
Dich sollten Lust und Liebe
hell bekränzen.
Nun seh’ ich Thränen in dem
Aug dir glänzen,
Dein Haupt sich müd zum Schoße
niederlegen,
Und was du willst noch in dem
Herzen hegen,
Ist Leid um Leid, sind Sorgen
ohne Grenzen.
Raff dich empor, raff auf dich
aus dem Staube,
Beschwing die Kraft, die
zaghaft dich verlassen,
Werd nicht dem Schmerz, dem
Kleinmuth ganz zum Raube.
Laß wallen dir das Herz mit
warmem Bluthe,
Laß von Gedanken wieder dich
erfassen,
Die zeugen von dem alten
Jünglingsmuthe.
1795 – 1875
Wer sich vertraut den
wechselvollen Tagen
Des Lebens, muß empor die
Schwingen tragen,
muß kämpfen, ringen, streben,
muß es wagen,
Das Glück in heißen Mühen zu
erjagen;
Muß, gehts ihm übel, nicht
kleinmüzhig zagen,
Nicht jammern trostlos, nicht
unmännlich klagen,
Vielmehr, wenn Sorgen an dem
Herzen nagen,
Aufblicken, wo die Berge
Gottes ragen;
Muß Kleines leicht sich aus
dem Sinne schlagen,
Belasten nicht sich mit
unnöthgen Plagen,
Mit seinen Freunden friedlich
sich vertragen,
Und nach der Feinde Hohn und Trotz
nicht fragen.
Wer so sich zeigt in allen
Lebenslagen,
Der ist bewährt, man solls zum
Ruhm ihm sagen.
1795 – 1875
Aufwärts, so blick auf deinen
Lebenswegen,
Wenn willst den Gang durch
diese Zeit du wagen,
Aufwärts, wenn drücken Sorgen
dich und Plagen,
Aufwärts, wenn dir die Hand
sich füllt mit Segen.
Abwärts, sollst du zur Mahnung
dir einprägen,
Wird jeder von den zugemeßnen
Tagen
Mit Eilen hin dich an das Ende
tragen,
Abwärts, dein Haupt zum Grabesschooß
zu legen.
Doch heimwärts führen dich die
flüchtgen Stunden,
Die wie im Traum vor deinem
Blick verschweben,
Heimwärts, wenn ist die letzte
dir entschwunden.
Dort sind vorlängst dir
Stätten aufgehoben,
Wo du erwachst zu einem neuen
Leben,
Mit neuen Zungen Gott, den
Herrn, zu loben.
1795 – 1875
Was aus der Wahrheit
goldeshellen Schachten
An edlen Schätzen ist vordem
gewonnen,
Dran soll sich noch die späte
Nachwelt sonnen,
Als ein Vermächtniß hoch es immer
achten.
Wer, was Jahrhunderte zum Erbe
brachten,
Als wär’ es wie in leeren sand
zerronnen,
Geringgeschätzt, um
leichtfertig, unbesonnen
Im Übermuth nach Neuem nur zu
trachten;
Wer Alles will von vornen an
beginnen,
Und rückwärts schauend will nicht
vorwärts gehen,
Dem, was geworden, ernstlich
nachzusinnen:
Der ist des schnöden Hochmuths
anzuklagen,
Und was er wirken, schaffen
mag im Leben,
Das wird den Stempel der
Unreifheit tragen.
1795 – 1875
Das Soll, das Muß, die streng
das Scepter führen,
Sie sinds, die uns in ihre
Fesseln schnüren,
Das Will, es ist allein uns
selber eigen,
In freier Wahl selbständig uns
zu zeigen.
Doch will ich auch mit
stillergebnem Schweigen
mich hin zu dem, was soll und
muß ich, neigen,
Umsonst werd’ ich die Hand zum
Werke rühren,
Fehlt mir das Kann, gewolltes
auszuführen.
Im können liegt der Kern, das
Mark des Lebens:
versagt die Kraft, so sind wir
schnell am Ende,
Und senken traurig unsre müden
Hände.
Ach, um so Vieles mühen wir
vergebens
Im Leben uns; ob wollen wirs
vollbringen,
Ob sollen, müssen, kanns uns
nicht gelingen!
1795 – 1875
Herzhaft soll Schweres, rasch
zu greifen an,
Nicht zaudernd es von Zeit auf
Zeit verschieben;
Was man nicht ändern, nicht
abwenden kann,
Aufs Schnellste sei es immer
auch betrieben.
Was je dir noch auf dem
Gewissen lag,
Ums Herz dir war als ernste
Pflicht gewoben,
Nur schwerer ward es dir von
Tag zu Tag,
Wenn zögernd immer du es
aufgeschoben.
Wenn Lästges schnell, mit
frischgehobnem Muth
Zu greifen an du hast dich
überwunden,
Ersparst du dir manch
finsteren Unmuth,
Und viel der trüben, hern
empfundnen Stunden:
Und ists gethan, des Mühens
Ziel erreicht,
Wird dir das Herz, das sorgenschwere,
leicht.
1795 – 1875
Sieh, wie der Gärtner will des
Gartens pflegen,
Die Erde düngen, fleißig sie
begießen;
Bis ihm die Blümlein aus den
Knospen sprießen,
Will er mit zarter Sorge sie
umhegen.
Dann, wenn sie duftend blühen
ihm entgegen,
Darf er mit Lust des Mühens
Frucht genießen;
Die Arbeit wollt’ zuvor ihn
nicht verdrießen,
Nun lohnt sie ihn mit reichem
Blüthensegen.
So auch, wenn hast du eines
Werks zu warten,
Sollst du darum mit stetem
Fleiß dich mühen,
Wie jener sich um seinen
Blumengarten.
Was du gewollt, mit Eifer hast
begonnen,
Mit Lust gepflegt, es wird
zuletzt dir blühen,
Und magst dich dran mit
stiller Freude sonnen.
1795 – 1875
Wenn willst du sein auch immer
grundgescheidt,
Such nicht die Gründe dir erst
in den Weiten,
Sie mühsam aus der Ferne
herzuleiten;
Der beste Grund liegt niemals
allzu weit.
Er ist dir nah, daß er sich
schnell entbeut
Zum Argument dir; von den
nächsten Seiten
Kannst du ihn nehmen dir in
Kampfeszeiten,
Daß gürt’ er dich zu manchem
harten Streit.
Den Stahl, den Gegner aus dem
Feld zu schlagen,
Du mußt ihn stets am goldnen
Griffe tragen,
Zur Abwehr schon im Augenblick
bereit.
Wo nicht, so bist du leicht
schon überwunden,
Es brennen dich die heiß
geschlagnen Wunden,
Und deine Zögrung hat dich
schwer gereut.
1795 – 1875
Muth hast du immer, wie sichs
ziemt dem Mann,
Des Geistes Schwert zu gürten
an die Seriten
Zu manchem Kampf, der tapfer
ist zu treiten,
Der tritt im Leben keck an
dich heran.
Ob nun das Schwert auch hell
dir blitzen kann,
Schlagfertig ist auch in den
schwersten Zeiten,
Als Kampfgenosse gern dich zu
begleiten,
Doch wars dein Schwert nicht,
was den Sieg gewann.
Wo je du es zum tapfern Schlag
gehoben,
Der Sieg, er kam doch immer
nur von oben,
Von dort ward dir die Kraft
zum Kampf gestählt.
So woll’ denn aufwärts deine
Blicke heben,
Daß, wenn du willst dir
streitend was erstreben,
Nie das Gelingen deinem Muthe
fehlt.
1795 – 1875
Wenn Leidenschaften rings die
Welt umtoben,
So laßt für Recht und Wahrheit
uns einstehen,
Hoch soll ihr Banner in den
Lüften wehen,
Empor von uns mit stolzem Muth
gehoben.
Was jene wollen, leicht ist es
zerstoben,
Wenn einig diese Hand in Hand
stets gehen;
Spurlos wird wieder in der
Zeit verwehen,
Was ist zu ihrem Wirrsal nur
gewoben.
Das Recht, die Wahrheit ruhen
alle beide,
Von Alters her auf
felsenfestem Grunde,
Daß jedes Herz sich hoffend
dran erweide.
Drum wills auch scheinen, daß
sie unterliegen,
Doch harren wir getrosten
Sinns der Stunde,
Wo sie trotz Kampf und lauten
Wettern siegen.
1795 – 1875
Ein Wort, das klug und überlegt
man spricht,
Es findet immer eine gute
Stelle,
Daß hier und dort es die
Gedanken helle,
Wie wenn durchs Dunkel blitzt
des Tages Licht.
Ein Wort jedoch, das wie vom
Zaun man bricht,
Gedankenlos, unachtsam, hastig
schnelle,
Es rauscht dahin gleich einer
leeren Welle,
Gleich einem Pfeil, der fliegt
zum Ziele nicht.
Drum willst den Andern rathen
du zum Segen,
Woll’ erst das Wort dir
gründlich überlegen,
Bevor hinweg es von dem Munde
klingt.
Und will es vorschnell von den
Lippen eilen,
Laß es nur rasten noch,
bedächtig weilen,
Daß besser es zu klugem Rath
gelingt.
1795 – 1875
Weich, mild und lind, das
klinget zart und fein,
Sich um das Ohr mit süßem Laut
zu schmiegen,
Wie wenn im ersten goldnen
Maienschein
Sich Frühlingslüste auf den
Zweigen wiegen.
Weich sei das Herz, daß mag
hinein sich leicht
Der Liebe Bild in reinen Zügen
prägen,
Daß flammt dein Blick, das
Auge wird dir feucht,
Weil gern du willst ihr heilig
Feuer pflegen.
Mild sei die Hand, sich
helfend aufzuthun,
Wenn hier und dort ist fremde
Noth zu stillen,
Nicht säumen soll sie, zögernd
niemals ruhn,
Auf neue wieder immer sich zu
füllen.
Und daß dein Wort auch guten
Eingang finde,
So seis, ob ernst, doch immer
auch gelinde.
1795 – 1875
Du pflegst dich selbst wohl
gern einmal zu loben,
Daß nicht aufflammen kannst
du, nicht aufwallen,
Kein zürnend Wort dir jemals
ist entfallen,
Wo Andre wie in feurgem Grimm
geschnoben.
Doch nie hab’ ich deßhalb dich
noch erhoben,
denn soll es mir, soll dir es
nicht mißfallen,
Wenn streckt das Unrecht seine
scharfen Krallen,
wenn blinder Wahn die welt
will laut umtoben?
Wo Schlechtes will, Gemeines
breit sich machen,
Die Wahrheit will mit schnödem
Hohn verlachen,
Das Höchste selbst herab zum
Staube ziehen:
Da wall dein Herz, da laß es
flammend glühen,
Die Worte laß gleich scharfen
Blitzen zünden,
Dem Unrecht deinen lauten Zorn
zu künden.
1795 – 1875
Ich hörte wohl dich schon zu
manchem Tag
Darüber herbe, bittre Klage
führen,
Daß Keines noch dir recht
gehorchen mag,
Dir schnell genug, wie will es
sich gebühren.
Wenn zweimal auch und mehrmal
du gesagt,
Was soll in dem und jenem Fall
geschehen,
Hat eins gezögert noch,
derweil gewagt
Ein andres hat, dich schlau zu
hintergehen.
Doch such die Schuld davon in
dir allein,
Das Rechte hast du recht
niemals befohlen,
Nicht klar, daß Jedem leuchtet
schnell es ein,
Nicht kurz und rund, nicht
fest und unverholen.
Denn wahr ists, solls nicht am
Gehorchen fehlen,
Muß wissen man, auch recht
stets zu befehlen.
1795 – 1875
Was andre thun, das willst du
gern bekritteln;
Weil sie es anders, als du
selber, machen,
Als du gewohnt bist, in gar
vielen Sachen,
Willst über sie das Haupt
wegwerfend schütteln.
Wenn du gealtsam willst an
Allem rütteln,
Und Manches dir leichtfertig
nur verlachen,
Sieht man sie selbst bedächtig
drüber wachen,
Wie dieß und jens sich ließe
noch vermitteln.
Was lieben sie, was gern sie
sich erstreben,
Zerstückst du ihnen mit dem
scharfen Messer,
Das schneidig willst du von
dem Munde heben.
Doch wenn du solltest, statt
zu kritisieren,
Nun selbst die Sache gründlich
machen besser,
Würd’ bald die Lust zu tadeln
sich verlieren.
1795 – 1875
Woll’ immer dir, wenn mag dirs
so behagen,
Ein Vöglein sangen in den
leichten Netzen,
An seinem Sang daheim dich zu
ergetzen;
Ich will darob zu tadeln dich
nicht wagen.
Hasch immer dir in sonngen
Frühlingstagen
Die Schmetterlinge, die sich
flatternd setzen
Von Blum zu Blume, dran dich
zu erletzen,
Hasch immer sie, es ist ein
fröhlich Jagen.
Doch fange nicht, und wärs
auch nur im Stillen,
Verschwiegen nur, und ganz für
dich alleine,
O fange nicht nach groß und
kleinen Grillen!
Und doch, seit Kurzem und
vielleicht schon länger
Wirst du, wie ich allen es so
nicht meine,
Je mehr und mehr ein finstrer
Grillenfänger.
1795 – 1875
Vergangne Schmerzen woll
erneuen nicht;
Laß ruhen sie in ihrem
Grabesschooße,
Bind sie zu deinem Leid nicht
wieder lose,
Daß dir das Herz im alten
Grame bricht.
Wenn jetzt dir scheint des
Glückes freundlich Licht,
Und heiter lächeln dir des
Lebens Loose,
Sonn dich am Glanz der frisch
erblühten Rose,
Die duftend sich um deine
Schläfe flicht.
Und blickst zurück du in
vergangne Zeit,
Gedenke deß, was du ihr
abgewonnen,
Was dich mit weichen Armen hat
umsponnen.
Denn immer läßt sich, was uns
hoch erfreut,
Noch hier und dort auch
zwischen Dornen finden,
Die einst sich wollten in das
Leben winden.
1795 – 1875
So manches wirf dir lieber
über Bord,
Als daß du willst als schwere
Last es tragen,
Entlegne gern dich der
unnöthigen Plagen,
Die häufelst du dir selber
hier und dort.
Wirf lieber heut als morgen
über Bord
Dein ängstlich Sorgen,
hoffnungsloses Klagen,
Dein Fürchten, Bangen,
schüchternes Verzagen,
Wirf endlich es in
Meerestiefen fort.
Ballast genug hast du noch in dem
Schiff,
So woll des Andern muthig dich
entschlagen,
Zu scheitern nicht am nächsten
Felsenriff.
Mach, wo du kannst, dein
Lebensschifflein leicht,
Daß fröhlich fliegt es hin zu
allen Tagen,
Bis es das stille Uferland
erreicht.
1795 – 1875
Wenn fröhlich wird das Herz
dir einmal schlagen,
Laß immer es in hellgesonnten
Tagen
Aufathmen leicht mit innerem
Behagen,
wer weiß, wie bald es trauren
wird und zagen.
Wenn düstern sich die
freudenhellen Stunden,
Wenn, was ums Herz dir innig
war gebunden,
Dir plötzlich ist zu bitterm
Leid entschwunden,
Gieß dir des Trostes Balsam
auf die Wunden.
Gehts wohl dir, laß es
leuchten aus den Blicken,
gehts übel, laß vom Leid dich
nicht zerknicken,
in Beides woll’ dich froh, gleichmüthig
schicken.
So trag das Leben, wie sichs
mag gestalten,
Und weil die Gnade wird
darüber walten,
So leg die stirn dir nie in
finstre Falten.
1795 – 1875
Du willst dir nichts vom Leben
mehr erwarten,
Wie hoffnungslos auf Alles
resigniren,
Weil du gewannst sie nur, sie
zu verlieren,
Die werthen Gaben, die sich um
dich scharten.
So knickst du selbst dir in
dem Lebensgarten
Im voraus schon die Blumen,
die ihn zieren
Einst könnten noch, weil jetzt
du magst nicht spüren
Was Glück und Gunst für
künftge Zeit dir sparten.
Solang du lebst, solange
sollst du hoffen,
Daß manche Freude dir noch
werde blühen,
Bist du auch jetzt von bitterm
Leid betroffen.
Noch hat sich dir der Himmel
nicht verschlossen;
So geh des Wegs, wenn auch mit
sauren Mühen,
Getrost voran, im Herzen
unverdrossen.
1795 – 1875
Warum? dies Wörtchen willst du
gerne tragen
Neugierig bald, bald klagend
in dem Munde,
Denn immer willst du nach dem
letzten Grunde
Von dem, was wird und was sich
zuträgt, fragen.
Doch sollt’ man dir den Grund
von Allem sagen,
Wonach du fragst so gern zu
jeder Stunde,
Man müßte mit der Weisheit
stehn im Bunde,
Zu lauschen ihrem Wort zu
allen Tagen.
Gar viel geschieht im
räthselvollen Leben,
Wovon den Grund wir können
nicht erblicken,
Weil es sich will mit
Dunkelheit umweben.
Laß dein Warum dir auf den
Lippen schweigen,
In das, was kommt, geduldig
dich zu schicken,
Will auch dein Haupt sich
trauernd niederneigen.
1795 – 1875
Wie glücklich ist, wer leicht
sich mag vergnügen,
Aus jedem Blümlein, das ihm
blüht zur Linken,
Zur Rechten, kann sich süßen
Honig trinken,
Sich Lust an Lust zu reinen
Freuden fügen!
Es glänzt dir auf den sonnenklaren
Zügen,
Es schimmert dir wie
mondeshelles Blinken
Von deines Auges immer heitern
Winken:
Du bist vergnügt, weil läßt du
dir genügen.
Da sitzen sie in Glückes Schoß
gebettet,
Umringt von Allem, was erfreut
das Leben,
Und sind von finsterm Unmuth
doch gekettet.
Warum? Weil eins zu still
empfundnen Wonnen,
Nur eines ihnen war noch nie
gegeben:
Am Kleinsten selbst genügsam
sich zu sonnen.
1795 – 1875
Es gibt ein Glück, von dem nur
Wenge wissen,
Weil doch die Meisten nach
Besitzen trachten,
Ein Glück, das mehr, als Erz
aus goldnen Schachten,
Wir zu gewinnen sollten sein
beflissen.
Wie heißt dies Glück? Es
heißet, nicht vermissen,
Was günstge Loose, die den
Andern lachten,
Uns selber nicht zur
Morgengabe brachten,
Uns boten nicht zu schäumenden
Genüssen.
Hat doch ein Jeder schon genug
empfangen,
Was, seis bescheiden auch, er
nennt sein eigen,
was er mit warmer Liebe darf
umfangen.
Und wenn ers thut, was will er
mehr noch haben?
Dem wird sich bald des Glückes
Sonne neigen,
Der lüstern ausstreckt sich
nach fremden Gaben.
1795 – 1875
Zu Tische lädst du gerne bei
dir ein,
Die selber sich dir gütig
stets erweisen,
Die darfst mit Recht du deine
Freunde heißen,
Weil wollen sie mit Wort und
That es sein.
Bewirthe sie mit Fischen aus
dem Rhein,
Mit den und jenen ausgesuchten
Speisen,
Die höchlich sie mit lautem
Mund dir preisen,
Und dann zuletzt mit goldnem
Perlenwein.
Doch würz die Tafel auch mit
salzgem Wort,
Mit muntern Reden, seinen
heitern Scherzen,
Wie eben angefacht sie Zeit
und Ort.
Das ist des Tisches Schmuck
und schönste Zier,
Wenn wohl es Allen, warm es
wird im Herzen,
Die Pulse schlagen fröhlich
dort und hier.
1795 – 1875
Du möchtest dir die Zeit so
gern verkürzen,
Die schleichet dir langwierig
nur von hinnen?
Nun denn, soll sie im Fluge
dir zerrinnen,
So lerne sie dir lieblich
stets zu würzen.
Woll’ rüstig dir die Lenden
einmal schürzen,
Nimm dir zur Hand, was gibt
dir was zu sinnen,
Zu thun dir etwas, etwas zu
gewinnen,
Leicht wirst du dann dir jede
Stunde kürzen.
Und leicht könnts sein, daß
möchtest du sie halten,
Die Niemand noch in ihrem Flug
gebunden,
Die pfeilgeschwinden,
blitzesschnellen Stunden.
Doch was du mühsam ihnen
abgerungen,
Was Gutes dir in ihrem Lauf
gelungen,
Es bleibt zurück, und trotzt
der Zeit Gewalten.
1795 – 1875
Im Freubdeskreis da rede nach
Gefallen;
Du brauchst die Worte sorglich
nicht zu wägen,
Nicht jedes erst achtsam zu
überlegen,
Selbst Unvorsichtiges darf dir
leicht entfallen.
Doch soll dein Wort in weitre
Kreise schallen,
Sich offen tragen Freund und
Feind entgegen,
Mußt du zuvor es still in dir
bewegen,
Soll es behagen Vielen, oder Allen.
Ein kurzes Wörtchen, in die
Welt geflogen,
Das du zuvor nicht gründlich
hast erwogen,
Wie manches Leid hat dirs
schon zugezogen!
Doch was gesprochen du in
Freundesmitten,
Behauptet bald, bald lebhaft
widerstritten,
Nie hast darunter selbst du was
gelitten.
1795 – 1875
Die zarte, feine, noble
Lebensart,
Nicht soll sie je aus unsrer
Mitte schwinden,
Wir wollen immer Hand in Hand
gepart
Sie pflegen uns, ans Leben sie
zu binden.
Wir wählen nicht das rauhste,
schärfste Wort,
Wenn ist vielleicht einmal
etwas zu tadeln,
Die Wahrheit läßt sich gern
noch fort und fort und fort
Mit einem linden, feinen
Wörtchen adeln.
Wir halten es noch stets des
Mühens werth,
Ein freundlich Wort mit Jedem
auszutauschen,
Und was er sich als stillen
Wunsch begehrt,
Dem Freunde von den Blicken
abzulauschen.
Und mag uns Mancher auch wohl
lästig sein,
Wir fügen eben höflich uns
darein!
1795 – 1875
An jedem Morgen wollt euch
warm begrüßen,
An jedem Abend reicht euch
noch die Hände,
Wer weiß, ob nicht der nächste
Tag schon ende
Das Leben, das so rasch uns
will entfliehen!
Den heute noch wir an das Herz
uns schießen,
Ob morgen nicht sich sein
Geschick vollende,
Das Leben sich zum eilgen
Schlusse wende,
Wer weiß, drum laßt uns heute
noch ihn grüßen!
Gar Mancher ruht im stillen
Grabesschooße,
Dem wir so gerne noch ins Auge
blickten,
So gerne noch die Hand zum
Gruße drückten.
Nun fielen ihm die schweren
Todesloose;
Ach, hätten wir doch wärmer noch
im Leben
Zum Freundesdruck die Hand ihm
einst gegeben!
1795 – 1875
Wenn man das Mark aus saftigen
Limonen
Zum letzten frischen Tröpflein
wollte drücke
Die heißen Lippen kühlend zu
erquicken,
Wirft man sie weg; was sollt’
man ihrer schonen?
So auch will Mancher seinen
Freunden lohnen
Für lange Treu; wenn sie das
Leben schmücken,
Ihm heitern nicht mehr, sind
sie seinen Blicken
Entschwunden schnell, ob nah,
ob fern sie wohnen.
Doch du nicht also. Wollt’
sich dir bewähren
Als ächt und wahr ein Freund
in frühern Zeiten,
Willst du nicht treulos ihm
den Rücken kehren.
Nicht daß du willst
selbstsüchtig ihn benützen,
Ausbeuten ihn, nahmst du ihn
einst zur Seiten;
Dir wars genug, ihn selber zu
besitzen
1795 – 1875
Wollt’ man so viel nicht reden
her und hin,
Ließ Manches auch viel
schneller sich vollbringen,
Doch wenn die Worte ins Gelage
klingen,
So geht derweil die Zeit
nutzlos dahin.
Es wäre dir und Andern zum
Gewinn,
Wolltst du die Zeit mit Reden
nicht verbringen,
Denn ob es mag geläufig dir
gelingen,
Doch bringt zum Ziel noch
nicht der Worte Sinn.
Sprich kurz und gut, was eben
nöthig sei,
Dann woll zum Werke rüstig
dich anschicken,
Nimms fest zur Hand, dann wird
es dir auch glücken.
Im Reden kühn, und gilts, das
Thun zu wagen,
Dann zögern, zaudern, muthlos
halb verzagen,
Ist nichts doch immer, als
Mortmacherei.
1795 – 1875
Du klagst mir oft, du wüßtest
nichts zu geben,
Was könnt’ in trüber Zeit mich
noch erfreuen,
Mir Blumen auf den rauhen Weg
noch streuen,
Versüßen mir das oft so herbe
Leben.
Wenn siehst das Herz du
klagend mir erbeben,
Den alten Schmerz sich bitter
mir erneuen,
Hinschwinden mich in manchen
herben Reuen,
Wie gerne möchtest du den Muth
mir heben!
Reich mir die Hand, die meine
warm zu drücken,
Ins Auge nur woll mir
theilnehmend blicken,
Schon dieß allein kann mich im
Leid erquicken.
wenn du so willst dein
Mitgefühl mir zeigen,
Dich liebend hin zu meinem
Schmerze neigen,
Mag immerhin dein Mund mir
stilleschweigen.
1795 – 1875
Noth ists, daß du mit stillem
Ernst erwägst:
Verwunden Andre mit dem
zorngen Blicke,
Mit scharfem Wort kann man im
Augenblicke,
Doch heilt oft schwer, was du
eilfertig schlägst.
Wenn Zorn einmal du in dem
Herzen hegst,
Nicht schnell sogleich das
Schwert des Mundes zücke;
Was dir aufflammt, viel lieber
unterdrücke,
Als daß du es in bittern
Worten regst.
Ein einzig Wörtchen, dir
entrauscht im Zorn,
Schlug Wunden Andern, die noch
heute bluten,
Und hat geweckt der Thränen
heißen Born.
Warum denn, wenn das Aug sich
weinend füllt,
Hast du den Schmerz, der
brannt’ in wunden Herzen,
Mit einem linden Wörtchen nicht
gestillt?
1795 – 1875
Sag mir es doch, was ich an
dir verbrochen,
Daß mir, der wollt’ ich
niemals noch dir grollen,
Du plötzlich willst mit
finstern Mienen schmollen,
Mir zürnen schon seit vielen,
vielen Wochen?
Wenn das, wovon ichjüngst mit
dir gesprochen,
Auch widerstrebte deinem
eignen Wollen,
Warum, konntst du mir auch
nicht Beifall zollen,
Hast du so schnell die
Freundschaft mir gebrochen?
Bedenke doch, den Freund kann
es erproben,
Wenn er dem Freunde will freimütig
sagen,
Was glaubt er nicht, daß sei
an ihm zu loben.
Gelobt hab ich dich schon zu
tausendmalen,
Nun darf ich doch ein
Tädelchen wohl wagen,
Das faß’ ich gern dir wie in
Silberschalen.
1795 – 1875
Mein lautes Lob, wem solls zu
eigen gelten?
Ich sag es frei, daß Jedermann
ichs künde,
Dem soll es gelten, der mich
straft gelinde,
Wenn Andre mich mit harten
Worten schelten.
Wie kann ich solche Milde dir
vergelten,
Der du, wenn mich zu tadeln
hast du Gründe,
Dein Wort nicht schärft, daß
es gleich Flammen züpnde,
Wie Andre thun zu meinem Leid
nicht selten!
So laß dich fürder gleich dem
Frühlingswehen,
Gleich Hauchen, die der junge
Lenz geboren,
In deiner Lindigkeit mit Lust
ergehen.
Beredt mir schon ist oft dein
bloßes Schweigen,
Und nutzlos gings an mir noch
nie verloren,
Der gern ich will mich deinen
Winken neigen.
1795 – 1875
Die Leidenschaft ist, was uns
Leiden schafft,
Dies Sprüchlein wollt’ als wahr
sich stets bewähren,
Man kann es lesen in viel
bittern Zähren,
In herben Schmerzen, in
gebrochner Kraft.
Begierig sie, gewaltsam an
sich rafft
Gar Vieles, will es brausend
in ihr gären,
Doch wird der Sturm oft kurze
Zeit nur währen,
Leicht sind die straffen
Sehnen schon erschlafft.
Ist abgekühlt das flammend
heiße Blut,
Muß manchen Jammer reuevoll
man schauen,
Und machte gern dann Alles
wieder gut.
Doch kommt die Reue immer
auchzu spät,
Denn was nur schwer sich
wieder läßt aufbauen,
Hat leicht zuvor des Sturmes
Macht verweht.
1795 – 1875
Man rühmt den Meister, dem in
allen Dingen,
Was er beginnt, will trefflich
auch gelingen,
Und hat noch stets mit
hellerklungnem Loben
Ihn vor der Welt hoch auf den Schild
gehoben.
So will auch ich ein Lobeslied
jetzt bringen
Dem Meister, der sich selber
kann bezwingen;
Im schwersten Kampfe darf er
sich erproben,
So sei er auch mit lautem Mund
erhoben.
Du bist es, Freund, den will
ich jetzt erheben;
Dein selbst ein Herr, so läßt
du dich erfinden,
Drum will ich dir ein
Ehrenkränzlein weben,
Will auf das Haupt dir
huldigend es drücken,
Dir um die Schläfe wie zum
Ruhme winden,
Daß soll es dich, den größten
Meister, schmücken.
1795 – 1875
Undank, so heißt es, gibt die
Welt zum Lohne,
Ob wird man auch des Besten
sich bestreben,
So kanns erfahren Jeder noch
im Leben,
Wie in der Hütte, so auf hohem
Throne.
Erwarte nicht, daß man dich
stets belohne
Mit lautem Lob, dein Werk hoch
zu erheben;
Du sollst dich ihm mit stillem
Ernst ergeben,
Auch wenn dein Haupt nicht
schmückt der Ehren Krone.
Wohl ist es schön, wird man
dein Thun bewundern,
Es preisen laut von den und
jenen Seiten,
Doch soll das Gegentheil dich
nicht verwundern.
Die Welt will schonungslos
urtheilen, richten,
Bekritteln Alles, neidisch es
bestreiten;
Auf ihren Dank sollst muthig
du verzichten.
1795 – 1875
Was dir bestimmt ist, wird
sich auch begeben,
Mit eigner Macht kannst dus
zurück nicht halten,
Nicht wenden es, nicht anders
dir gestalten,
Ob willst du drein auch willig
dich nicht geben.
Doch ists gewiß, daß wird dein
Loos dir weben
Er selbst, der sorgend über
dir will walten,
Der, mag auch Alles wenden
sich und alten,
Noch treu dir bleibt hin durch
das ganze Leben.
So woll’, anstatt nur still
und laut zu klagen,
Aufrichten dich, des Weges
muthig wandern,
Darauf dich schützend seine
Arme tragen.
So laß dir, statt im Jammer zu
zerfließen,
Wenn Noth dich drängt, von einem
Tag zum andern
Auf deinen Pfad des Trostes
Balsam gießen.
1795 – 1875
Wie viel kann doch ein einzig
Jahr schon bringen
An Lust und Leid, an hell- und
dunklen Stunden,
An dem, was heilt, und was uns
mag verwunden,
Was trägt es nicht auf seinen
flüchtgen Schwingen!
Was hier uns glückt, will dort
uns leicht mißlingen,
Jetzt trennt sich, was aufs
engste schien verbunden,
Dann eint sich, was zuvor sich
nicht gefunden,
Bald zagt das Herz, bald
möcht’ vor Lust es springen.
Ist’s nicht, als ob das Meer
in Ebb und Fluthen
Ablief’ und anlief’, als wenn
Regenschauern
Nachfolgten eilig helle
Sonnenblicke?
Doch laß dich solchen Wechsel
nicht entmuthen;
Noch steht ein Jeder hinter
festen Mauern,
Der faßt die Hand, die wob ihm
sein Geschicke,
1795 – 1875
Ein schnell entflogner, kurzer
Augenblick,
Wie viel kann für die Zukunft
er entscheiden,
Er webt uns oft ein günstiges
Geschick,
Und wieder dann flicht er uns
herbe Leiden!
Blickst du zurück in die
vergangne Zeit,
Dem, was erlebst du, ernstlich
nachzusinnen,
Siehst du gar oft, was
schmerzt dich, was erfreut,
Von einem flüchtigen Moment
beginnen.
Drum nicht die Tage, Stunden
nicht allein,
Die Augenblicke sollst du
sorglich wägen,
Weil schließen sie in ihren
Schooß dir ein,
was dich betrübt, was mag dich
froh bewegen.
Und immer laß dich hin durch
alle Zeiten
Von Gottes Schutz auf deinem
Weg geleiten.
1795 – 1875
Es webet in das Leben sich der
Fluch,
Und wieder schlinget sich
darein der Segen,
Und was der eine, wie der
andre trug
Auf seinen Schwingen, läßt
sich leicht erwägen.
Der bösen That der Fluch sich
zugesellt,
Er heftet sich ihr rächend an
die Sohlen,
So wars, so ist es immer in
der Welt,
Bald zeigts verborgen sich,
bald unverhohlen.
Der Segen aber gern sich immer
eint
Dem, was du Gutes strebst und
thust im Leben,
Und wer es wahr und treu und
redlich meint,
Dem ist er zum Geleite
beigegeben.
So möge denn, so lang du lebst
auf Erden,
Der Fluch dir nicht, der Segen
eigen werden.
1795 – 1875
Wo ist ein Weh, dem paart sich
nicht die Wonne,
Wo eine Lust, der nicht der
Schmerz sich eint?
Durch trübe Nebel blitzt das
Licht der Sonne,
Durch Wetterwolken hell ihr
Auge scheint.
Auf hohen Bergen, die mit Eis
sich decken,
Siehst du daneben manches
Blümlein blühn,
Das, will es auch bescheiden
sich verstecken,
Doch kann des Wandrers Blicke
nach sich ziehn.
So suche denn, wird dich ein
Leid bedrücken,
Ob nicht darein sich eine
Freude schlingt,
Und wirst du dich zu süßer
Lust entzücken,
So horch, ob nicht ein
Schmerzenston drein klingt.
Und weil es so und anders
nicht im Leben,
So woll’ dich drein mit gutem
Muth ergeben.
1795 – 1875
Wenn wird das Herz dir jetzt
noch fröhlich schlagen,
Wie plötzlich kann es anders
wieder sein;
Der Himmel hüllt sich schnell
in Wolken ein,
Und trübe folgen nach den
hellen Tagen.
Wer leicht sich will hinein ins
Leben wagen,
Weil lächelt ihm des Glückes
goldner Schein,
Bald wandelt sich die Lust in
herbe Pein,
Und statt zu jauchzen, muß er
bebend zagen.
Das Unglück, sagt der Dichter,
schreitet schnell;
Drum, wer besitzt, der lern’
es auch verlieren,
was mag das Leben blühend ihm
noch zieren.
Dir scheint die sonne noch am
Himmel hell,
Doch siehst herauf du schon
ein Wölkchen ziehen,
Wer weiß, ob wird es dir
vorüberfliehen!
1795 – 1875
Vorüber will das Leben eilend
fliehen,
Als obs auf schnellen
Meereswogen stände,
Und was es legt in unsre
offnen Hände,
Muß hin mit ihm in gleichem
Fluge ziehen.
Wo ist ein Blümlein, das uns
lachend blühen
Will auf dem Weg, daß es zum
Kranz sich bände,
Das, ob es auch ums Herz sich eng
uns wände,
Nicht welken muß, vor Abend
schon verglühen?
Was dir beschert ist an
erwünschten Gaben,
Mit zarter Sorge woll’ es
immer hüten,
Und dich daran mit stiller
Lust erlaben.
Doch, wenn es welkt, laß
ziehen es von hinnen;
Das Leben treibet immer frische
Blüthen,
Und Neues wieder läßt sich
drin gewinnen.
1795 – 1875
Das Glück, es schwankt unruhig
hin und her,
Jetzt steigts empor, dann
senket es sich nieder,
Eilt hier davon, und kehrt
zurück dort wieder;
Unstät ist es, als wie ein
wogend Meer.
Es beut sich Manchem, wie von
ungefähr,
Ausbreitend ihm sein goldenes
Gefieder,
Und Manchem, der bewährt ist,
treu und bieder,
Läßt es zeitlebens beide Hände
leer.
Laut rühmst du immer deinen
Glückesstern,
Der folgte dir seit deinen
frühsten Zeiten,
Und trat dir noch zu keiner
Stunde fern.
Doch leicht ist es, daß er dir
schnell entweicht,
Und wendet sich hinweg nach
andern Seiten;
Dort geht er auf, derweil er
dir erbleicht.
1795 – 1875
Wenn wird ein Glück, das
wollt’ sich freundlich legen
Auf unsern Weg, von uns hinweg
sich wenden,
Dann faßten wir es gern mit
beiden Händen,
Weil wir erst jetzt in seinem
Werth es wägen.
Da wirs besaßen, schiens uns
nicht zum Segen;
Nun, wenn wir das Entschwundne
wieder fänden,
wir gern daran das Herz uns
liebend bänden,
Daß sonn’ es uns auf unsern
Lebenswegen.
Was jetzt dich mag im Leben
hoch beglücken,
Die Tage heitern dir, sie
lieblich schmücken,
Woll’ es ans Herz mit warmem
Dank dir drücken.
Nicht warte noch, bis mit den
schnellen Stunden
Dahin es ist dir wie im Flug
geschwunden,
Daß schmerzlich du nur den
Verlust empfunden.
1795 – 1875
Such nicht das Glück nur immer
in der Ferne,
Unruhig dir es erst noch zu
erstreben;
was blühend kann sich in die
Tage weben,
Es ist dir nah, und bietet
sich dir gerne.
Im eignen Haus es dir zu
finden lerne,
Wo reine Freuden willig sich
dir geben,
Wo beut sich dir ein heimlich
trautes Leben,
Wo schließt es ein sich in
seinem Kerne.
Dort sollst du dich mit jedem
neuen Morgen
Erfreuen sein, es wachsam
immer pflegen,
Daß sei es dir in sicherm
Schooß geborgen.
Wer schützend hütet sich des
Hauses Laren,
Der Liebe Feuer will sich
sorglich hegen,
Wird sich das Glück in goldnen
Schalen wahren.
1795 – 1875
Der Eine
Ich hab’ kein Glück: so hör’
ich oft dich sagen;
Was ists, das willst du
schmerzlich dir beklagen?
Der Andre
Arm bin ich, ruhmlos, ob ich
wollt’ auch sinnen,
Wie könnt’ ich Ehr und
Reichtum mir gewinnen.
Der Eine
Doch wär’ dir Beides schwerer
wohl zu tragen,
Als andre Last in den trübsten
Tagen;
Mit frohem Muth gehst du des
Wegs von hinnen,
Ist nur das Glück dir in dem
Herzen innen.
Der Andre
Wohl weiß ich, daß noch immer
sagt man gerne:
In deiner Brust sind deines
Schicksals Sterne;
Doch mir wollt’ noch kein
Sternlein darin flimmern.
Der
Eine
So will’ am Licht von oben
dich entzünden,
Bald wirst du dann des Glückes
Sterne finden
In deiner Brust, dir lieblich
drin zu schimmern.
1795 – 1875
Was gern du sollst dir in dem
Herzen hegen,
In deinem Blick, auf deinen
Mienen tragen,
Die Freude ists, wie will zur
Mahnung sagen
Ein theures Wort: Freut euch
im Herrn allwegen.
Was immer mag im Leben dich
bewegen,
Nicht sorgen sollst du,
trostlos nicht verzagen;
Auch wenn du mußt des Liebsten
dich entschlagen,
Sollst du den Geist der Freude
dir noch pflegen.
Nicht Trübsinn soll auf deiner
Fahrt durchs Leben
Zur seiten dir mit düsterm
Blicke schreiten,
Des Grames Wolken um dich
auszubreiten.
Frisch, frei und froh, so geh
des Wegs von dannen,
Und immer woll’ die dunkeln
Schleier bannen,
Die sich um deine Lebenssonne weben.
1795 – 1875
Wenn wirst du dir ein zartes
Röslein brechen,
Zur Frühlingszeit es dir zum
Strauße pflücken,
Woll dann nicht wieder es dir
selbst zerstücken,
Daß dir die Dornen blutge
Wunden stechen.
Schon Manches wolltest du dir
selbst zerbrechen,
Was durft’ auf deinem
Lebensweg dich schmücken;
In rauhe Hand wolltst du die
Blüthe drücken,
Da fiel sie ab, sich selbst an
dir zu rächen.
Mit zarter Sorge sollst des
Glücks du warten,
Das blüht zur Lust dir in dem
Lebensgarten,
Und liebend es mit stetem
Schuß umhegen.
Das kleinste Blümlein, das dir
duftend sprossen
Mag hier und dort, daß sei es
still genossen,
Mit ernstem Fleiß pfleg es dir
allerwegen.
1795 – 1875
Manch Blümlein welket in des
Windes Hauch,
Will nur ein leises Lüftchen
es berührten;
So ist es mit manch andern
Dingen auch,
Die durch Antasten ihren Glanz
verlieren.
Was oft sich reget in der
tiefsten Brust,
Wirst du es nur mit leisem
Mund aussprechen,
Schon raubst du ihm den Reiz,
die süße Lust,
Und wirst die zarten Blüthen
ihm abbrechen.
Ja, Vieles, was schließt unser
Innres ein,
Wir können es in Worten nicht
ausdrücken,
Es will verborgen drin
verwahret sein,
Als stilles Blümlein
schweigend es zu schmücken.
Ach, wie viel Zartes will ums
Herz sich schmiegen,
Was birgt sich drin
geheimnisvoll verschwiegen!
1795 – 1875
Was sollst du dir mit zarter
Sorge hegen,
Es wahren dir zu jeder neuen
Stunde
Als edles Kleinod in des
Herzens Grunde,
Es ist des Vaters und der
Mutter Segen.
Er folgt dir nach auf allen
deinen Wegen,
Wiegt schwerer dir, als wiegen
tausend Pfunde
Des lautern Golds; auf manche
heiße Wunde
Kann er des Trostes linden
Balsam legen.
Als ging ihr theures Leben hin
zum Ende,
Um die sich liebend deine Arme
rankten,
Da legten sie aufs Haupt dir
noch die Hände.
Ihr letztes Wort, dir war es
noch beschieden,
Ihr letzter Blick, als schon
die Sinne schwankten;
Dann neigten sie das müde
Haupt im Frieden.
1795 – 1875
I.
Der Sprüche vier sollst du mit
Fleiß erwägen,
Sie dir ins Herz zur ernsten
Mahnung schreiben:
Der erste heißt: Woll’ um dir
treu zu bleiben,
Was du beginnst, zuvor dir
überlegen.
Der zweite mahnt: Woll’
schwindelnd und verwegen
Kein Ding bis auf die letzte
Spitze treiben;
Das Allzuscharfe wird sich
schnell zerreiben,
Und bringt den Fluch, wo man
geweint den Segen.
Der dritte sagt: Wird etwas
dir mißlingen,
Worauf dein Streben wollt’
sich euifrig lenken,
Nicht sollst die Hände du
verzweifelnd ringen.
Der vierte spricht: Um Lieb
woll’ selber werben,
Und Liebe gern auch jedem
Andern schenken;
So stirbst du reich, ob arm du
magst auch sterben.
II.
Woll’ immer lieber unten an
dich halten,
Als stolzen Sinns nach oben
hin zu streben;
In Niedrung ist ein stilkl
verborgnes Leben,
Auf Höhen brausen oft des
Sturms Gewalten.
Leg finster deine Stirne nicht
in Falten,
Woll’ glätten sie, wenn wird
sie sich umweben
Mit Furchen, weil noch viel dir
ist gegeben,
Was freundlich mag das Leben
dir gestalten.
Bist du betrübt, so wisch dir
bald die Thränen
weg von den Augen, weil der
nächste Morgen
Vielleicht schon bringt, was
still dein heißes Sehnen.
Und will ein Glück sich
plötzlich dir zuwenden,
Das lange deinen Augen blieb
verborgen,
Deck es dir schützend zu mit
beiden Händen.
III.
Wenn fleißig denkst du an die
eignen Fehle,
Wirst gegen andre sein du gern
nachsichtig,
Und daß dein Wort und Thun
sich nicht verfehle,
So sei in Beiden immer auch vorsichtig;
Muthwillig Keinen, wer er sei,
zu kränken,
Leichtsinnig Niemand, zeige
dich rücksichtig;
Erforschen klüglich, weislich
dir bedenken
Woll’ Zeit und Dinge, dann
bist du einsichtig;
Nach einer nicht, nein, hin
nach allen Seiten
Wäg All und Jedes, dann bist
du umsichtig;
Bist offen du, rein, wahr zu
allen Zeiten,
Dann ist dein Herz als wie
Krystall durchsichtig,
Und wärst dazu du niemals je
kurzsichtig,
So wär’ dein Wort und Werk
auch stets scharfsichtig.
1795 – 1875
Du höbest gern den
dichtgewobnen Schleier,
Womit die Zukunft will sich
dir umhüllen,
Und meinst, wenn könnt’ dein
Sehnen sich erfüllen,
Schlüg’ dir das Herz, das oft
gedrückte, freier.
Und doch, du zahltest solchen
Blick zu theuer
Mit deiner Ruhe, wär’ dir
nicht zu Willen,
Was würd’ vielleicht sich
deinem Aug’ enthüllen,
Und käme dann zum alten
Schmerz ein neuer.
Laß nur der Zukunft in dem
dunkeln Schooße,
was will darin geheimnisvoll
sie wahren,
Und lüft ihr nicht die noch
verhüllten Loose.
So ists gefügt, und so wirds
immer bleiben,
Daß sich Lebensschifflein,
drauf wir fahren,
Im Dunkel muß hin an das Ufer
treiben.